Sahra Wagenknecht zur Corona-Krise

Petra Weber

Liebe Unnaer Bürgerinnen und Bürger!

Die Corona-Krise hat uns alle aus dem normalen Lebensalltag mehr oder weniger herausgerissen. Wir alle erleben zunehmende Einschränkungen, manche sind infiziert und teilweise schwer erkrankt.

Nachfolgend möchte ich Ihnen einen Beitrag von Sahra Wagenknecht ans Herz legen, in dem sie u.a. kritisch Stellung nimmt zum Umgang der Politik mit der Bedrohung durch das Coronavirus (SARS-CoV-2). Im Text finden Sie auch Verlinkungen auf drei Videos, die sehr sehenswert sind.

Bleiben Sie gesund!

Petra Weber (Fraktionsvorsitzende)

 


 

Sahra Wagenknecht

Corona-Krise:
Soziale Existenzen schützen, nicht nur Konzerne!

Habt ihr gestern Abend die Ansprache der Bundeskanzlerin zur Coronakrise geschaut? Ihr Appell war einerseits eindringlich, von der »größten Krise seit dem zweiten Weltkrieg« sprach sie. Andererseits ist es mit netten Worten für Ärzte, Pflegekräfte oder Verkäuferinnen nicht getan. Es muss auch etwas unternommen werden, um all jene, die aufgrund ihres Berufes nicht die empfohlenen Abstände einhalten können und mit vielen Menschen in Kontakt kommen, besser zu schützen! Die Regierung und die Unternehmen müssen die Beschäftigten mit ausreichend Schutzkleidung ausstatten, ihnen mehr Pausen für Hygienemaßnahmen gewähren, sie regelmäßig auf den Coronavirus testen lassen, die Arbeitsplätze besser absichern - und sie sollten ihnen ab sofort eine Gefahrenzulage in Form eines Gehaltszuschlags von wenigsten 20 Prozent zahlen.

Während sie sich in ihren Berufen einem erhöhten Risiko aussetzen können wir anderen sie unterstützen, indem wir uns an die Maßnahmen zur Verlangsamung der Infektionsraten halten: Bleiben Sie zu Hause, halten Sie Abstand, tun Sie was möglich und nötig ist, um sich selbst und ihre Mitmenschen zu schützen.

Soziale Existenzen schützen, nicht nur Konzerne

Inzwischen haben Bund und Länder drastische Maßnahmen eingeleitet. Spät– aber immerhin: Das öffentliche Leben ist weitestgehend zum Erliegen gekommen, die Wirtschaft konzentriert sich auf das, was existenziell notwendig ist. Nun zeigt sich, wen wir zum Leben und Überleben brauchen: das medizinische Personal in den Krankenhäusern und in der Pflege, die Verkäuferinnen im Einzelhandel, jene, die die Infrastruktur am Laufen halten: Verkehr, Strom, Wasser, aber auch weniger sichtbar: Die Müllabfuhr, Reinigungskräfte, … Wenn sie ihre Arbeit nicht mehr machen würden – dann sähe unsere Situation noch einmal ganz anders aus.

Was auffällt: Es sind überwiegend Berufe mit schlechten Löhnen und Arbeitsbedingungen, Berufe mit Schicht- und Wochenendarbeit, die oft körperlich anstrengend sind. Sie sind die wirklichen Leistungsträger unserer Gesellschaft, sie sind für unser System relevant! Nicht die gut verdienenden Investmentbanker und Hedgefonds Manager, die mit ihren Wetten gegen Unternehmen von der Krise sogar profitieren und sie verstärken. Da wäre es gar nicht schlecht, wenn die einfach mal nach hause geschickt würden…

Ich hoffe sehr, dass wir nach der Krise nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, sondern den wichtigen Beitrag unserer echten Leistungsträger endlich auch entsprechend entlohnen und würdigen.

Letzten Freitag kommentierte ich im Video die erschreckende Entwicklungen in Italien und ging der Frage nach, was wir tun müssen, um nicht selbst bald solche Zustände erleben zu müssen. Außerdem ging es um den Börsencrash und drohende wirtschaftliche Auswirkungen sowie die große Abhängigkeit in der Medikamentenversorgung von China und Indien. Dorthin wurde in den vergangenen Jahren ein Großteil der Arzneimittelproduktion ausgelagert – zu teils schlimmen Bedingungen für die Arbeiter und die Umwelt. Da das Video letzte Woche nicht im Newsletter verlinkt werden konnte, reiche ich es hier noch einmal nach:

Corona-Krise: Handeln, bevor es zu spät ist

Die Schul- und Kitaschließungen sind im Kampf um die Eindämmung der Corona-Ausbreitung eine richtige Maßnahme. Es ist jedoch nicht akzeptabel, dass nicht gleichzeitig geregelt wird, was die Eltern jetzt tun können. Sicher: Für die Kinder derjenigen, die in gesellschaftlich wichtigen Bereichen arbeiten, gibt es vielerorts eine Notbetreuung. Ich finde aber: Wer Schulen und Kitas schließt, muss für alle Eltern eine Lösung parat haben.

Vor allem Alleinerziehende oder Familien in denen beide Eltern Vollzeit arbeiten und bisher keine Arbeit von zu Hause möglich ist, stehen vor einem Problem. Sollen sie ihre Kinder in der Not doch zu den Großeltern bringen, obwohl die meist zur Risikogruppe gehören und eigentlich von Besuchen abgeraten wurde?

Der Appell an alle Arbeitgeber, jetzt pragmatische Lösungen zu finden, reicht nicht. Für Geringverdiener ist unbezahlter Urlaub keine Option. Umgekehrt dürften viele kleine Betriebe mit der vollen Lohnfortzahlung überfordert sein, wenn im Zuge der Einstellung des öffentlichen Lebens Aufträge und Einnahmen wegbrechen und Projekte unterbrochen werden. Der Staat darf jetzt weder die Familien, noch die vielen kleinen Betriebe, Geringverdiener, Freiberufler und Soloselbständigen im Stich lassen.

Eine wichtige Maßnahme wäre daher, das Kinderkrankengeld jetzt auszuweiten, das derzeit nur für 10 Tage im Jahr und nur bei Krankheit des Kindes von den Krankenkassen gewährt wird. Dieses Kinderkrankengeld sollte jetzt auch für mindestens sechs Wochen an Eltern gezahlt werden, die ihr Kind häuslich betreuen müssen - ob es nun krank ist oder nicht.

Wir müssen uns fragen, ob unser auf Kommerz und Rendite getrimmtes Gesundheitssystem auf eine weitere Zuspitzung der Situation vorbereitet ist. Wenn Personalnotstand in vielen Krankenhäusern, Gesundheitsämtern und Rettungsdiensten längst der Normalfall ist, was soll dann erst im Notfall werden?

Wie unser Gesundheitssystem durch eine neoliberale Politik von Privatisierungen, Fallpauschalen, Schließung von Kliniken und Bettenabbau sowie die Verlagerung der Arzneimittelproduktion ins Ausland kaputt gemacht wurde und wird – darüber sprach ich vor kurzem in diesem Video:

Coronavirus und das kaputtgesparte Gesundheitssystem