Haushalt 2021: Wo bleibt die soziale Gerechtigkeit?

Petra Weber / Christoph Tetzner

Dem Entwurf des Haushaltsplans der Kreisstadt Unna steht die Ratsfraktion DIE LINKE. plus skeptisch gegenüber. Das Ergebnis ausführlicher Beratungen der Fraktion ist: Es mangelt an sozialer Gerechtigkeit, und auch die Transparenz der Arbeit der Stadtverwaltung und ihrer Kontrolle durch den Rat ist verbesserungsbedürftig. Eine Reihe von Anträgen wurde ausgearbeitet, um diesen Umständen Rechnung zu tragen.

Es war ein arbeitsreiches Wochenende: Am 30. und 31. Januar tagte die Haushaltsklausur der Ratsfraktion DIE LINKE. plus und beschäftigte sich intensiv mit dem Entwurf des Haushalts 2021 der Stadt Unna. Über 400 Seiten wollten nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern auch diskutiert und kritisch hinterfragt werden.

„In weiten Teilen ein nachvollziehbarer und solide erscheinender Entwurf“, so Petra Ondrejka-Weber, die Fraktionsvorsitzende. „Für unsere Beratungen war es hilfreich, am Sonntag den Stadtkämmerer Herrn Thomae und den Ersten Beigeordneten Herrn Toschläger als Gäste und Referenten dabei zu haben, die uns mit ihren Folienvorträgen vertiefende Einblicke verschafften und sich unseren Fragen stellten. Dafür unseren Dank.“

„Das funktionierte auch im Rahmen einer der Pandemie geschuldeten Tagung als Videokonferenz sehr gut“, ergänzt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Christoph Tetzner. „Die Teilnahme des Ersten Beigeordneten und des Stadtkämmerers an unserer Klausurtagung brachte viele zusätzliche Informationen, die unseren anschließenden Beratungen zugute kamen. Diese Transparenz begrüßen wir sehr.“

„Wir würden aber keine linke Politik vertreten, wenn wir den Haushaltsentwurf nicht vor dem Hintergrund bestehender sozialer Verwerfungen hinterfragen würden, die in Zeiten der Coronapandemie noch deutlicher zu Tage treten und gerade die ohnehin schon wirtschaftlich schwach gestellten Unnaer Bürgerinnen und Bürger besonders belasten.“ Daher habe die Fraktion einige Anfragen und Anträge in die Haushaltsdiskussion eingebracht, die sowohl den Betroffenen helfen als auch die Verwaltung der Stadt stärken soll, damit sie effektiver korrigierend auf solche Verwerfungen reagieren kann, fährt Petra Ondrejka-Weber fort.

„Natürlich müssen solche Pläne auch finanziert werden. Unser Antrag, den Hebesatz der Gewerbesteuer um 3,8 Prozent von 481 auf 500 v.H. moderat zu erhöhen, führt unter Zugrundelegung der aktuellen Haushaltszahlen zu Mehreinnahmen von 1,2 Millionen Euro. Gleichzeitig würde die Rekommunalisierung von Dienstleistungen und sozialen Einrichtungen mittel- und langfristig viel Geld einsparen“, ergänzt Christoph Tetzner.

„Dabei haben wir die kleinen Gewerbetreibenden und Unternehmer durchaus auf dem Schirm“, betont Petra Ondrejka-Weber. „Durch die Gewerbesteuer wird kein Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet, denn sie ist leistungsabhängig zu entrichten. Es ist aber nur gerecht, wenn sich steuerpflichtige Unternehmen im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit an der Finanzierung städtischer Aufgaben beteiligen. Die Last des mit 841 v.H. deutlich höheren Hebesatzes der Grundsteuer tragen hingegen die Schultern aller Einwohner*innen unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Leistungskraft. Hier wollen wir eine fairere Balance herstellen.“

In weiteren Anträgen der Fraktion wird die Rekommunalisierung der Reinigungsleistungen in städtischen Gebäuden und Schulen gefordert. Auch die Rekommunalisierung von Kindertagesstätten ist ein Anliegen der Fraktion DIE LINKE. plus. „Hier geht es nicht nur um die Umsetzung der im Kinder- und Jugendhilfegesetz geregelten Trägervielfalt, sondern auch darum, Verwaltungskosten und -aufwand für die Stadt zu reduzieren. Außerdem könnte die Verwaltung bei städtischer Trägerschaft der Kindertagesstätten von ihrem Direktionsrecht Gebrauch machen und so zur besonders in Krisenzeiten erforderlichen Flexibilisierung der Leistungserbringer beitragen“, führt Petra Ondrejka-Weber ergänzend aus.

„In Krisenzeiten, die auch zu spürbaren zusätzlichen Einnahmeverlusten der Stadt führen, muss selbstredend mit den kommunalen Finanzen besonders vorsichtig umgegangen werden. Dennoch muss die Haushaltsplanung den Notleidenden gerecht werden, den bestehenden sozialen Verwerfungen ins Auge sehen und gegen sie unter einer längerfristigen Perspektive vorgehen. Deshalb beantragen wir, die freien Träger im Bereich der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe mit 200.000 Euro an zusätzlichen Mitteln zu unterstützen, damit sie ihre gestiegenen Personal- und Sachkosten ausgleichen und die finanziellen Folgen der Coronapandemie bewältigen können“, erklärt Petra Ondrejka-Weber. „Um einkommensschwache Familen unbürokratisch zu entlasten, sollten auch die Tabellen für OGS- und Kita-Gebühren angepasst und die Beitragsbefreiungsgrenze angehoben werden.“

„Linke Politik setzt sich seit langem für Rekommunalisierungen insbesondere im Gesundheits- und Wohnbereich ein. Gerade in Krisenzeiten müssen Staat, Land und Kommunen hier dafür Sorge tragen, dass sich die Not von ohnehin schon finanziell schwach gestellten Menschen nicht noch weiter vergrößt. Am ehesten gelingt die Schaffung bezahlbaren Wohnraums durch kommunalen Wohnungsbau, der jedoch auch geplant und gesteuert werden muss. Daher beantragen wir die Stärkung entsprechender Strukturen in der Verwaltung durch den Ausbau der Bauplanungskapazitäten. Verschiedene Aufgaben könnten durch eine Änderung des Stellenplans kostensparend zurück in die Verantwortung der Stadt gegeben werden“, erläutert Christoph Tetzner einen entsprechenden Antrag der Fraktion.

Beide Fraktionsvorsitzende sind sich einig, dass trotz vieler Übereinstimmung mit dem Entwurf des Haushalts Bedenken übrig bleiben. „Für uns sind Planungen und Maßnahmen, die den sozialen Ungerechtigkeiten und Verwerfungen mit längerfristiger Perspektive entgegentreten, im Haushaltsentwurf nicht ausreichend abgebildet. Den Beschluss des Haushalts werden wir nicht ablehnen, aber ohne hinreichende Berücksichtigung unserer Eingaben können wir auch nicht zustimmen“, fasst die Fraktionsvorsitzende Petra Ondrejka-Weber zusammen. „Das wird im Rat natürlich zu Diskussionen führen, die wir alle hoffentlich bald wieder gesund und munter ohne die derzeit noch notwendigen Abstands- und Vorsichtsmaßnahmen erleben dürfen."