Antrag auf dauerhafte Installation von Notruf- schildern des Frauenforums Unna im gesamten Stadtgebiet

Petra Weber

Häusliche Gewalt, die sich vor allem gegen Frauen und Kinder richtet, ist in unserer Gesellschaft ein weithin unterschätztes Problem. Viele Gewalttaten werden nicht zur Anzeige gebracht. Die Täter bleiben oft unbescholten, den Opfern kann nicht geholfen werden. Ein erheblicher Teil der häuslichen Gewalttaten wird erst dann bekannt und verfolgt, wenn außerfamiliäre Institutionen (Krankenhäuser, Arztpraxen und im Fall von Gewalt gegen Kinder die Schulen und Kitas) darauf aufmerksam machen. In "Corona-Zeiten" ist mit einer Verschärfung der Problematik zu rechnen.

Zum einen ist davon auszugehen, dass mit den einschränkenden Auflagen zur Eindämmung der Infektionen zusätzliche Belastungen verbunden sind, die das Risiko häuslicher Gewalt steigern. Zum anderen fallen mit diesen Einschränkungen auch wichtige außerfamiliäre "Kontrollmechanismen" weg.

Die Fraktion DIE LINKE im Rat der Kreisstadt Unna hat daher folgenden Antrag nebst ausführlicher Begründung an die Verwaltung der Stadt gestellt:

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Kolter,

hiermit beantragt DIE LINKE im Rat der Kreisstadt Unna die dauerhafte Installation von Notruf­schildern des Frauenforums Unna im gesamten Stadtgebiet.

Die Begründung sowie ein Schilderentwurf des Frauenforums sind dem Antrag als Anlage beigefügt.

Begründung:
Laut Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) sind 33% aller Frauen wenigstens einmal in ihrem Leben von psychischer und/oder sexualisierter Gewalt betroffen, und jede vierte Frau wird wenigstens einmal Opfer körperlicher oder sexueller Ge­walt durch den aktuellen oder ehemaligen Partner. Die wenigsten Taten werden angezeigt bzw. strafrechtlich verfolgt.

Häusliche Gewalt ist kein Phänomen, das nur in „sozialen Brennpunkten“ zu finden ist, son­dern tritt auch in mittleren und höheren Bildungs- und Sozialschichten auf. Kinder, die ge­waltsame Auseinandersetzungen ihrer Eltern miterleben, leiden nicht nur unmittelbar, son­dern tragen ihre Erlebnisse folgenreich ins eigene Erwachsenenleben: Frauen, die als Kin­der Gewalt in den elterlichen Beziehungen erleben mussten, erleiden später mehr als doppelt so häufig Gewalt durch den Partner als Frauen, die in ihrer Kindheit solche Erfahrungen nicht machen mussten. Wenn sie selbst ebenfalls Opfer elterlicher Gewalt waren, verdreifacht sich diese Zahl sogar.

Als es wegen der Corona-Pandemie durch die Schutzverordnungen (massive Einschränkun­gen der Kontaktmöglichkeiten, Schließung der Kindertagesstätten und Schulen) zu zum Teil weitreichenden Einschränkungen der sozialen Kontakte, aber auch zu weiteren Belastungen der Eltern z.B. durch Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit und Zukunftsängste, aber auch durch Homeoffice und Homeschooling kam, erwarteten Expert*innen einen deutlichen Anstieg häuslicher Gewalt. Das Leben auf engem Raum und die eingeschränkten Möglichkeiten, sich dieser Situation zu entziehen, stellen wesentliche Stressfaktoren dar, die die Gefahr gewalt­tätiger Eskalation in den Familien erhöhen.

Die aktuellen Zahlen zu häuslicher Gewalt sind uneinheitlich und z.T. widersprüchlich. Im März dieses Jahres meldete das NRW-Innenministerium verglichen mit dem Vorjahresmonat einen Rückgang der Polizeieinsätze wegen häuslicher Gewalt um 30 Prozent. Mit Sicherheit jedoch sind diese Zahlen kein Anlass zur Beruhigung. Experten gehen davon aus, dass ne­ben der verstärkten Kontrolle durch den gewalttätigen Partner auch die momentane Angst und Unsicherheit vieler Frauen dazu beiträgt, dass sie sich nicht an Hilfsinstitutionen wen­den. Außerdem ist seit Beginn der Pandemie und der damit verbundenen Einschränkungen ein deutlicher Rückgang der Arztbesuche zu verzeichnen. Auch unabhängig von „Corona“ werden viele häusliche Gewalttaten erst mit deutlicher Verzögerung angezeigt. Viele Frauen suchen erst nach z.T. langjähriger Gewalterfahrung Hilfe. Heike Herold, die Geschäftsfüh­rerin der Frauenhauskoordinierung, weist darauf hin, dass in den Ländern, in denen es schon früher als in Deutschland zu Einschränkungen durch Schutzmaßnahmen kam, die Zahlen einen Anstieg der häuslichen Gewalt belegen.

Ausdrücklich zu begrüßen ist die Initiative „Zuhause nicht sicher?“ („#StärkerAlsGewalt“) der Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, die den Zugang zu Hilfsangeboten für Betroffene er-
leichtern soll.

Wir, DIE LINKE im Rat der Kreisstadt Unna, sind der Auffassung, dass nicht nur während der Einschränkungen in Zeiten der Corona-Pandemie, sondern nachhaltig der Zugang zu Hilfs­angeboten öffentlich und vor allem niedrigschwellig angeboten werden muss. Wer die bun­desweite Notrufnummer für Opfer häuslicher Gewalt wählt, wird zunächst mit einer zentralen „Leitstelle“ verbunden und dort auf kommunale Hilfsangebote verwiesen.

Seit 1986 ist in unserer Stadt bzw. unserem Kreis das „Frauenforum“ aktiv, und seit 1988 bie­tet es im Frauenhaus einen Zufluchtsort für Opfer häuslicher Gewalt an. Wir meinen, dass die Stadt Unna nicht nur die Arbeit des „Frauenforums“ durch die dauerhafte Installation von Schildern im Stadtgebiet, die auf dieses Hilfsangebot hinweisen, zusätzlich würdigen kann, sondern auch, dass solche Schilder die Schwelle der Kontaktaufnahme weiter senken wür­den, weil sie signalisieren, dass konkrete Hilfestellung vor Ort (einschließlich einer örtli­chen Notrufnummer!) existiert.

Im beigefügten Entwurf ist dargestellt, wie ein solches Notrufschild bzw. -plakat aussehen könnte.

Wir halten das Anliegen für dringlich und hoffen auf Unterstützung unseres Antrags über die Fraktionen hinweg.